Alfred Lang

University of Bern, Switzerland

Bulletin Article 1990

Psychologie-Comics bei Uni Tobler - fast wie «Astérix chez les Bernois»

1990.10

@CuPsy

5 / 12 KB  Last revised 98.11.14

von Fred Geiselmann, Uni-Intern (Mitteilungen, Nachrichten, Informationen der Universität Bern), Dezember 1990, S. 1-3 © 1990 Unipress

© 1998 by Alfred Lang

info@langpapers.org

Scientific and educational use permitted

Home ||

   

 

Das Kind hat drei Väter - wohl darum ist es so gelungen: Mit einer Comics Serie - dargeboten im Schaukasten der Unitobler hat das Psychologische Institut der Universität Bern während des vergangenen Sommers zahlreiche Passanten in der Länggasse überrascht und erfreut. Und der Erfolg dauert an: Wo immer Professor Alfred Lang (als geistiger Vater) einen Vortrag über Psychologie hält und eine Dia-Serie dieser Comics zeigt, schlägt ihm schmunzelnde Anerkennung entgegen.

Am Anfang stand bloss eine vage Idee. Die Idee, sie stammte von Professor Alfred Lang, Ordinarius am Psychologischen Institut, war gut. Ob nicht die Pressestelle jemanden wüsste, der Karikaturen zeichnen könne? Jemanden, der eine an sich nicht unbedingt vertraute Materie in Bilder umzusetzen verstünde? Das Psychologische Institut werde nämlich nächsthin den Schaukasten bei Uni-Tobler bestücken, und da wäre es doch sinnvoll, das Ganze ein bisschen mit Humor aufzulockern und: mit einem leichten Augenzwinkern zu präsentieren.

 

Wie zeichnet man die Seele?

Die Idee war reizvoll, und sie war anspruchsvoll. Denn die Psychologen beschäftigen sich mit der Seele, und eine - seinerzeit im Psychologie-Unterricht aufgeschnappte - Definition der Seele lautet: «Die Seele ist das, was wir meinen, wenn wir ich sagen.» Zu fassen ist die Seele nicht, zu sehen ist sie auch nicht, und naturwissenschaftlich zu beweisen ist sie schon gar nicht. Für eine bildliche Darstellung ist sie nicht geeignet. Es war daher eine verlockende Herausforderung, herauszufinden, nach welchen Vorstellungen ein Professor der Psychologie die Seele bildlich und erst noch mit Humor dazustellen gedachte. Ungefähr in der Art eines Gespenstes vielleicht, das in einem alten Schloss herumgeistert? Ich jedenfalls war ratlos. Und so wurde, wie immer in Fällen von Ratlosigkeit, eine Besprechung vereinbart.

Die erste Besprechung liess die ganze Seelenangelegenheit vorerst einmal viel nüchterner erscheinen. Professor Lang erschien mustergültig vorbereitet und präsentierte ein Arbeitspaper mit Titel wie «Verbundenheit», «Situation für Neulinge», «Territorialität in der Wohnung», «Menschen und Dinge», «Die Rolle von Türen» und «Raumbezüge tragen Personenbezüge». Wenigstens die letzte Wendung liess von ferne an Astronauten in ihren Raumanzügen denken, und notfalls kann man sich den Geist, der in der Seele wohnt, ja durchaus so vorstellen.

Wie eine Filmsequenz...

Ich jedenfalls merkte auch bei dieser Besprechung nicht, in welche Richtung Lang dachte und wo hinaus er zielte. Daher der vorsichtige Einwand: «Eine einzige Karikatur genügt wohl nicht. Was Ihnen vorschwebt, müsste man wohl in drei oder vier Karikaturen erläutern, damit auch Aussenstehende die Aussage begreifen - ähnlich der Sequenz eines Films.» - Die Antwort des Psychologen war spontan: «So etwas wie eine Comics-Serie? Das wäre genau das, was ich mir wünsche. Es ware bäumig, wenn wir das zustande brachten!» - Und so wurde vereinbart, dass die Pressestelle sich nach einem gewieften Comics-Illustrator umsah.

Das war leichter gesagt als getan. Einen Karikaturisten aufzutreiben, das ginge ja noch an, selbst wenn gute Karikaturisten nicht unbedingt auf Bäumen wachsen. Doch woher rasch einen Comics-Zeichner hernehmen, der schwierige Sachverhalte leicht umsetzen kann und der sich - nach Möglichkeit - erst noch in Psychologie auskennt? Die Walt-Disney-Studios kamen aus Distanzgründen nicht in Frage, und auch Astérix schied aus naheliegenden Gründen aus. Doch etwas Ähnliches wie Astérix, mit derart viel treffendem Witz und Pfiff - das wäre schon verlockend.

Ich tat mich um bei Künstlern im Bekanntenkreis und lernte über sie einige Karikaturisten kennen. Das Ergebnis: die einen hatten keine Zeit, den anderen mangelte die Erfahrung, ohne die es enorm schwierig ist, rasch ein überzeugendes Resultat vorzulegen. Es war wie verflixt: Ich erinnerte mich zwar, erst vor wenigen Monaten einige Artikel über neue, gekonnte Schweizer Comics gelesen zu haben, aber die Namen der Zeichner hatte ich mir natürlich nicht gemerkt. Zudem musste erst kürzlich irgendwo - entweder im Wallis oder im Bündnerland - eine ComicsMesse stattgefunden haben. (Selbsiverständlich hatte ich diese Ausstellung nicht besucht wozu denn auch.) Auch ein Telefon an einschlägige Buchverlage half nicht weiter.

 

Fündig beim «Bieler Tagblatt»

Da erinnerte ich mich, dass das «Bieler Tagblatt», damals erst seit wenigen Wochen, jeden Samstag eine kleine Bilder-Serie unter dem Namen «Hanspeter und Jeanpierre» erscheinen liess. Der Strich und die Ideen jenes Zeichners, Claude Halter, gefielen mir. Mit einem Anruf an die Redaktion wurde der Künstler ausfindig gemacht: Claude Halter wohnte sinnigerweise in Bern und war unter der Telefonnummer 031/229095 zu erreichen.

Claude Halter: Er ist der Schöpfer der Psychologie-Comics im Schaukasten bei Uni-Tobler.

Bei der nächsten Besprechung war auch Halter dabei. Und er schien auf Anhieb zu erfassen, was Professor Lang anzuregen versuchte. Halter stellte einige Kontrollfragen, um sich zu vergewissern, dass er auf der richtigen Spur war, und versprach dann, ein paar Entwürfe abzuliefern. Ihm schwebe eine kleine, neu- und wissbegierige Gestalt vor, die unerschrocken und leicht provozierend Fragen stellte, welche ein weisshaariger Psychologieprofessor - mit weissem Bart (bei diesen Worten blickte er Professor Lang lange sinnend an) - von seiner Warte her zu beantworten habe.

Schon Halters erste Entwürfe stimmten hoffnungsvoll. Da war offensichtlich etwas in Entstehen, das den Intentionen entsprach. Und von da weg gedieh das Werk, das war spürbar. Alles war auf gutem Wege. Ganz schiefgehen konnte nichts mehr, es blieb bloss noch die Frage: Würde es gelingen, eine allseits gelungene Arbeit zustande zu bringen, oder würde irgendein störender Aspekt ungelöst bleiben?

 

Mit sicherem Gespür

Claude Halter brauchte jeweils ein paar Tage Zeit, um Professor Lengs Auffassungen umzusetzen Mit sicherem Gespür tastete er sich an die gewünschte Aussage heran, mit immer wieder abgewandelten Vorschlägen. Unvergessen bleibt jene Episode, mit der Professor Lang zeigen wollte, wie ein Zaun zwischen zwei Menschen sowohl die Grenzen benachbarter Territorien markieren als auch erste Kontakte über die Grenze hinweg erleichtern kann. «Mit einem Zaun ist Derartiges schwierig darzustellen - eine Mauer sagt mehr aus, sie ist viel leichter zu interpretieren», wandte Halter ein. Professor Lang verstand sofort, worauf der Zeichner hinaus wollte, und regte als Erläuterung die Sprechblase an: «Die Seele ist in diesem Mäuerchen!» - Das war jener Moment, in dem auch ich zu merken begann, mittels welcher Gestaltungsmittel Alfred Lang sein Anliegen «unter die Leute bringen wollte». Später verriet Halter, wie er zu diesem «Gespür» gekommen war: Als freischaffender Künstler hat er sich ein «Feeling» zulegen müssen, das ihn befähigt, rasch zu erfassen, was ein potentieller Auftraggeber etwa will.

Schliesslich hatte Claude Halter seine «Bandes dessinées» beieinander - nach mehrmaligen, zunehmend weniger detailbeladenen Entwürfen lagen ungefähr 30 Einzelbilder schwarz-weiss ausgearbeitet vor. Das waren viel zu viele, eine Beschränkung auf etwa 12 bis 15 Zeichnungen drängte sich auf. Die Reduktion schmerzte zwar, fiel aber im gemeinsamen Gespräch leicht, und die Anpassung der Texte in den Sprechblasen war dann das Werk von bloss noch etwa zwei Stunden. Gewählt wurde eine Schrift, die in Grösse und Art etwa derjenigen in einem Astérix-Heft entsprach.

 

Farbe macht manches erst komplett.

Noch aber waren diese Uni-Tobler-Comics bloss in den Farben Schwarz-Weiss gehalten. Wer bei der Entstehung nicht dabei gewesen war, hätte sich schwer getan, auf Anhieb den roten Faden zu finden der sich durch die Story zog. und Comics, deren Aussage man erst lange erraten muss, haben ihren Zweck verfehlt.

Laut Claude Halter gab es dafür eine bewährte Lösung, die allerdings noch einmal einen Aufwand von etwa zwei Arbeitstagen bedeuten würde: die Kolorierung der Figuren, welche er der Spezialistin Rahel Ptättli anvertrauen wurde. Der Professor müsste im weissen Berufsmantel erscheinen, Bart und Brille tragen und eben so aussehen, wie man sich landläufig einen Professor vorstellt: mit möglichst viel «intellektuellem Touch». Dem neugierigen Kleinen würde eine knallige, auffällige Farbe zugewiesen, und jeder Betrachter sollte sich rasch mit ihm identifizieren können. Der Hintergrund wird bewusst einfach gehalten, alles Störende wird verbannt und nur, was zum Verstehen unerlässlich ist, nach und nach ins Bild gerückt. An einem Samstag, punkt zehn Uhr, rund sechs Wochen nach der ersten Kontaktnahme, war die Begutachtung des fertigen Werkes vorgesehen. Claude Halters Künstler-Atelier befindet sich im Hause Münstergasse 39, im Dachgeschoss. Keine Klingel und kein Briefkasten verraten Halters Anwesenheit, hingegen führen schmale, verwinkelte Treppen mit in Jahrhunderten ausgetretenen Steinstufen bis unters Dach hinauf. Und dort oben, in unmittelbarer Nähe des Münsters, erfolgte die feierliche Übergabe.

Die Fixierung der zwölf handkolorierten Einzelcomics im Schaukasten bei UniTobler wurde auf den folgenden Mittwochmorgen festgesetzt. Zwei Stunden waren dafür einberaumt.

Es sollte zwei weitere Wochen dauern, bis auch dieses Problem zufriedenstellend gelost war.

Fazit: Psychologie in Comics ist eine sehr aufwendige Angelegenheit.

Fred Geiselmann

Vollständige Bildgeschichte in Handzeichnungen coloriert.

Top of Page